Sonntag, 24. April 2011

Eisenbahnen in die Sacramento Mountains

Teil 2: Die Alamogordo & Sacramento Mountain Railway
 Zum ersten Teil geht es hier.

Als sich die EP&NE langsam Alamogordo näherte, begannen die Finanziers der Bahn die Holzindustrie in den nahen Sacramento Mountains zu entwickeln. Es wurde die Alamogordo Lumber Company gegründet, um passendes Land zu kaufen, ein Sägewerk zu errichten und Holz in den Bergen zu schlagen. Die Verbindung war die Alamogordo & Sacramento Mountain Railway, die im Jahre 1898 in New Mexico eingetragen wurde. In den kommenden Jahren war der Anteil der A&SM an der Transportstrecke der Baumstämme zum Sägewerk der Größte.
Die Strecke in Richtung Cloudcroft

Der Bau der A&SM begann Mitte 1898, kurz nach dem die Hauptstrecke Alamogordo erreichte. Der erste Abschnitt der A&SM wurde im November 1898 eröffnet. Die Sektion erstreckte sich von Alamogordo Junktion (1,4 Meilen nördlich von Alamogordo Depot) zu einem Punkt im oberen Fresnal Canyon, der als Tobboggan bekannt war. Bis dort waren es bereits 19,3 Meilen  von Alamogordo Junction. Aus Sicht der Bahningenieure handelte es sich bei der Strecke um eine klassische Gebirgsbahn. Um den Anstieg von Alamogordo (El. 4372 ft) nach Tobboggan (EL 7580 ft) überhaupt möglich zu machen, war die Strecke eine ständige Folge von teils extremen, engen Kurven in Verbindung mit großen Steigungen. Der normale Kurvenradius war 193 ft. Die Steigungen übertrafen teilweise 5%, mit einer halben Meile von 6%, bis zu beängstigenden 6,5%, Das Ergebnis war eine Normalspurbahn, die die legendären Colorado Schmalspurbahnen in jeder Hinsicht in den Schatten stellte. So eine Strecke hat dem Mitfahrer natürlich viele spektakuläre Aussichten über das Gebirge und hinunter in die Wüste von White Sands zu bieten.
Durch die steile und kurvige Strecke handelt man sich naturgemäß auch eine ganze Reihe von Problemen ein. Die Lokomotiven waren speziell für Gebirgsstrecken konstruiert und ausgerüstet. Besonders die Bremsen mussten effektiv und gut gewartet sein. Schlussendlich wurden Langholzwaggons mit doppelt wirkendem Bremssystem der Standard. Feuchtes und kaltes Wetter waren eine ständige, manchmal richtig gefährliche, Bedrohung. Die AS&M hatte gegenüber den Schmalspurbahnen aber den großen Vorteil, den An- und Abtransport der Güter auf den normalen, von den Anschlussstrecken kommenden Güterwagen durchführen zu können. Durch die Regelspur entfiel die teure, unfallträchtige Umladung der Güter. Beschädigungen der Ladungen wurden so ebenfalls vermieden.
Die Eröffnung der A&SM nach Tobboggan wurde am 18. November 1898 begangen. Zwei Züge waren an diesem tag auf der Strecke, ein spezieller Personenzug und ein kurzer Holzzug (Logtram). Die A&SM Erweiterung war nur 7,5 Meilen lang, stieg dabei aber auf dieser Strecke um 2000ft an. Normal waren hier sogenannte 30° Kurven mit einem Radius von 193 ft und Steigungen von  5,2%. Es gab, sage und schreibe, 27 große Holzbrücken (Timber Trestles). Die größte von allen, die Mexican Canyon Trestle, hat bis heute überlebt.
Mexican Canyon Trestle mit Mixed Train

Diese Brücke ist im Denkmalregister New Mexicos gelistet. Da auch diese Brücke langsam zu verfallen drohte, haben sich mehrere Organisationen zusammengefunden und die Brücke im jahre 2009 komplett restauriert. Der Mexican Canyon liegt unterhalb der Ortschaft Cloudcroft.




Im Bild ist ist die berühmte "S-Kurved Bridge" zu sehen. Sie war 338ft lang. Bis zu 500 Streckenarbeiter arbeiteten an diesem Abschnitt, planierten das Gleisbett, bauten die Holzbrücken, sorgten für Entwässerung und verlegten die Gleise.
S-Curved Trestle
 Die  Strecke nach Cloudcroft wurde am 25. Januar 1900 fertig, die zum Cox Canyon im Juni 1900. Sowie die A&SM den Betrieb zum Cox Canyon aufgenommen hatte, baute man etliche Stichbahnen (Logging Spurs oder Tramlines) in die vielen kleinen Nebentäler. An jeder dieser Abzweigungen wurden die beladenen Holzwagen durch die A&SM von der Alamogordo Lumber Company übernommen und leere Waggons bereitgestellt. Die endgültige Erweiterung der A&SM war vom Cox Canyon nach Russia, eine Strecke von 4,4 Meilen. Die Strecke hatte ein ähnliches Profil mit vielen engen Kurven und etliches Holzbrücken. Fertiggestellt wurde sie im May 1903. Es wurde entschieden, dass Russia das Ende der öffentlichen Bahn sein sollte. Dies blieb so, während der gesamten Betriebsdauer der Bahn. Einige Stichstrecken reichten noch weiter in das Gebirge hinein. Das waren aber alles private Bahnen der örtlichen Holzfirmen. Nach dem vollständigen Kauf der NMRy&CCo. durch Phelps Dodge & Co. am 1. Juli 1905 wurde die A&SM als integraler Bestandteil der EP&SW betrieben. Natürlich blieb es im Betrieb bei der Nutzung der speziell für die steilen, engen Srecken beschafften Lokomotiven. Auch auf die mit verstärkten Bremsen ausgerüsteten Langholzwaggons konnte man nicht verzichten.
Personenwagen und offener Ausflugswagen in Cloudcroft

Die vier Güterzugbegleitwagen (Caboose) und die vier offenen Ausflugswagen der A&SM wurden durch wenigstens zwei vierachsige Personenwagen ergänzt. Diese hatten der besseren Kurvengängigkeit wegen Drehgestelle mit verkürztem Radstand.
"Drovers-Caboose", kombinierter Güterzugbegleitwagen
 Viele Familien aus El Paso und Alamogordo zogen während des Sommers aus der Hitze der Wüstein die angehmen Bergwälder. Auch die preisgünstigen Wochenend-Tickets der Bahn von El Paso verkauften sich  überraschend gut. Die Cloudcroft Lodges wurden zum Zentrum der Tourismusaktivitäten in der Gegend.
Cloudcroft Lodges


Das wirklich einträgliche Geschäft der Bahn nach Russia war aber der Transport von ganzen Baumstämmen (Logs). Die Verkehrsdichte schwankte natürlich bedingt durch Wetter und Jahreszeiten. In der Regel liefen im Sommer täglich 5 Zugpaare (jeweils bergauf und bergab), ein Personenzug und vier "Logging-Round-Trips", also Fahrten, die die Wagen von den entlegenen Übergabestellen abholten oder leere Wagen wieder in den Wald brachten.
Logtrain auf der S-Curved Trestle Bridge

Dies war natürlich mit einem erheblichen Aufwand an Rangierarbeit verbunden. Sogar in den Wintermonaten gab es zwei "Log-Runs" und einer der Beiden hatte einen Personenwagen beigestellt, der Passagiere, Expressgut und Post beförderte. Die größte Menge an Holz wurde Mitte der zwanziger Jahre befördert, als hauptsächlich zwei Firmen den Holzeinschlag beherschten: George E. Breece Lumber Company aus Cloudcroft und Southwest Lumber Company aus Russia.Zu dieser Zeit kam die Bahn unter die Kontrolle der Southern Pacific Railroad. Während es deshalb viele Veränderungen im kaufmännischen Management gab, blieb der Betrieb nahezu unverändert bestehen. An der Betriebsführung und dem Wagen- und lokmaterial wurde nichts verändert.
Russel Log Car

Russel Log Car - Draufsicht
 Eine bemerkenswerte Verbesserung trat mit der Übernahme von 200 Southern Pacific Log-Cars, Wagen für den Transport ganzer Stämme, ein. Diese waren größer als die alten "Russel"-Log-Cars und mittels doppelter Druckluftbremse auch sicherer im Einsatz auf den steilen Strecken.

Log Train aus Russel Cars


Kleinere Unfälle, wie Entgleisungen, waren an der Tagesordnung bei der A&SM - wie übrigens bei allen ähnlichen Unternehmen. Das gehörte in der Zeit einfach zum Eisenbahnalltag dazu.
Wegerollte Züge, sogenannte "Runaway Trains", kamen auf den extremen Steigungen auch relativ häufig vor, teilweise mit katastrophalen Folgen. Der schwerste Unfall ereignete sich am 19. Oktober 1903, als sieben Gleisarbeiter von einem sehr schwer mit  Schienen beladenen Wagen überrollt wurden. Im August 1907 starb der Lokführer Weldy als die Lokomotive #184 der EP&SW sich auf nassen Schienen unterhalb von Tobbaggan davon machte.  Es ist allerdings auch so, dass niemals ein Passagier dieser Bahn ums Leben kam.
Zusätzlich zum Stammholz und Passagieren wurde natürlich auch eine Menge sonstige Fracht transportiert: Obst, Gemüse, Tiere und geschnittenes Holz gingen ins Tal, Kohle für die Lokomotiven und dampfbetriebenen Kräne und Winden, Erstatzteile und Maschinen kamen in die Berge. Vom höhepunkt der Frachtbeförderung, Mitte der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts, nahm die Menge langsam, aber stetig ab. Durch die strark verbesserten Strassen kamen die Ausflügler inzwischen lieber mit dem Bus oder dem Auto. Für diese wurden zusätzliche Wander- und Campingregionen freigegeben. Die speziellen Cloudcroft Ausflugzüge von El Paso wurden ab 20. September 1930, mit dem Ende der Saison, eingestellt. Der Passagierverkehr auf dieser Strecke wurde am 13. Februar 1938 offiell endgültig beendet.
Der Holzfrachtverkehr südlich von Russia endete 1941, womit auch alle dortigen Geschäfte ihre wirtschaftliche Grundlage verloren. Während des Jahres 1942 wurden alle Schienen der Holzfällerstrecken abgebaut. Die Loks der Holzfällerbahnen und etliches andere Rollmaterial verblieb ersteinmal bis 1945 vor Ort. Nachdem die Versuche scheiterten, die alten Lokomotiven per Schiene zu befördern, wurden sie in Cloudcroft zerlegt und verschrottet. Auf der Reststrecke der A&SM gab es 1941 wohl noch einiges an Holztransporten, die aber mit dem Verkauf der Southwest Lumber Company an M.L. Restridge im Jahr 1945 vollständig eingestellt wurden.
Während immer weniger Züge aus den Bergen nach Russia fuhren, war es nur eine Frage der Zeit, wann die Southern Pacific Railroad als Eigentümer bei der Interstate Commerce Commission die Genehmigung für die endgültige Stilllegung der Strecke beantragte. Die Genehmigung zur endgültigen Stilllegung der Strecke von Alamogordo Junction nach Russia wurde am 7. Mai 1947 erteilt, allerdings mit einer mehrmonatigen Wiederspruchsfrist, um mögliche Betroffene zu hören.
Der letzte planmäßige Zug hält kurz am Wooten Wasserturm, 12. September 1947

Schon zwei Tage später kamen die Bautrupps und rissen bei Russia die Schienen heraus. Schienen, Halterungen und Nägel wurden verschrottet. Die Schwellen wurden aufgenommen und in der Umgebung als Baumaterial verkauft. Die meisten der schönen alten Holzbrücken (Trestles) blieben dort stehen, wo sie lange Jahre der Bahn gedient hatten. Einige wurden abgebaut und wenn das Holz noch brauchbar war, als Baumaterial verkauft. Im nahen Lincoln National Forest wurden aus Sicherheitsgründen an den Brückenenden die Schwellen und Querstreben entfernt, um abenteuerlustigen Kletterern das besteigen der immer baufälligeren Brücken zu erschweren.