Samstag, 1. März 2025

Die Geschichte des Kartonmodellbaus...

 

... ist eine faszinierende Reise durch die Entwicklung eines kreativen und zugänglichen Hobbys, das technische Präzision mit künstlerischem Ausdruck verbindet. Hier ist eine Übersicht:
Ursprünge (Mittelalter bis 16. Jahrhundert)
Die Wurzeln des Kartonmodellbaus lassen sich auf die Bilderbogen des Mittelalters zurückführen. Seit dem 14. Jahrhundert wurden in Europa einfache Drucke, oft religiöse Motive wie Heiligenbilder, hergestellt. Diese dienten zunächst der Andacht, entwickelten sich aber mit der Zeit zu weltlichen Darstellungen. Ein wichtiger Vorläufer war das sogenannte Ausschneidebogen-Konzept, das im 16. Jahrhundert aufkam. Eines der ältesten erhaltenen Beispiele ist ein Sonnenuhrkruzifix von Georg Hartmann aus dem frühen 16. Jahrhundert, das im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg zu sehen ist. Auch die Tafelbeilagen der „Kriegsbeschreibung“ von Hans Döring (1544/45) gelten als frühe Formen von Modellbögen.
Aufschwung im 19. Jahrhundert
Der Kartonmodellbau, wie wir ihn heute kennen, nahm im 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung und dem Aufkommen des Buchdrucks Gestalt an. Die Erfindung der Lithografie ermöglichte die Massenproduktion farbiger Bögen. Verlage wie J. F. Schreiber in Esslingen (Deutschland) begannen, detaillierte Modellbaubögen für Gebäude, Schiffe und später Fahrzeuge zu produzieren. Diese Bögen, oft als „Ausschneidebögen“ oder „Modellierbögen“ bezeichnet, wurden im Schulunterricht und zur Unterhaltung genutzt. Besonders populär waren die Neuruppiner Bilderbogen, die auch technische Motive enthielten und als Übergang zum modernen Kartonmodellbau gelten.
Blütezeit im 20. Jahrhundert
Im 20. Jahrhundert erlebte der Kartonmodellbau eine Blütezeit, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg. In Osteuropa, etwa in Polen und der Tschechoslowakei, wurde er zur Alternative zum teuren Plastikmodellbau. Verlage wie der polnische Mały Modelarz oder der tschechische ABC-Verlag brachten detailreiche Modelle von Flugzeugen, Schiffen und Architektur heraus. In Deutschland förderten Verlage wie Schreiber und später Aue-Verlag die Tradition weiter. Die Modelle wurden komplexer, mit Maßstäben wie 1:250 oder 1:100, und richteten sich zunehmend an erwachsene Bastler.
Kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung
Kartonmodellbau war nicht nur ein Hobby, sondern hatte auch pädagogischen Wert. Er förderte Feinmotorik und technisches Verständnis, besonders bei Kindern. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wie nach Kriegen, war er eine kostengünstige Alternative zu anderen Modellbauarten, da nur Papier, Schere und Kleber benötigt wurden. Zudem diente er in der Werbung und Propaganda, etwa durch politische Modelle während des Nationalsozialismus.
Moderne Entwicklungen
Mit dem Aufkommen digitaler Technologien hat sich der Kartonmodellbau weiterentwickelt. Heute gibt es Software, mit der Bastler eigene Bögen entwerfen können, und der Begriff „Papercraft“ hat sich im internationalen Kontext etabliert. Gleichzeitig bleibt die analoge Tradition lebendig, unterstützt durch Vereine wie den Arbeitskreis Geschichte des Kartonmodellbaus (AGK), der die Historie erforscht und eine umfangreiche Datenbank pflegt.
Fazit
Der Kartonmodellbau hat sich von einfachen Bilderbögen zu einem hochdetaillierten Handwerk entwickelt, das weltweit Anhänger findet. Seine Geschichte spiegelt sowohl technische Innovationen als auch gesellschaftliche Veränderungen wider.